Wasser transportiert Sedimente – von Schlammteilchen bis zu Kies – und lagert diese in Flüssen, Seen und Meeren ab. Bekannt ist die zentrale Rolle der Sedimentation für den Hochwasserschutz, die Wasserkraft und die Ökosysteme. Noch kaum untersucht war bisher hingegen der Einfluss des Klimawandels auf diese Ablagerungen.
Eine vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstützte Forschungsarbeit liefert nun erstmals detaillierte Erkenntnisse zur Entwicklung der Sedimentation im Genfersee und im stromaufwärts gelegenen Rhonetal seit den 1960er-Jahren. Die gewonnenen Daten zeigen auf, wie sich der Klimawandel, die Bautätigkeit und die Wasserkraftproduktion ausgewirkt haben. «Wir haben erstmals in Europa eine Art Lebenszyklusanalyse der Sedimente in einem grossen Einzugsgebiet vorgenommen», erklärt Stuart Lane von der Universität Lausanne und Erstautor des Artikels, der in Scientific Reports veröffentlicht wurde (*). An der multidisziplinären Arbeit beteiligten sich Forschende der Universitäten Lausanne, Bern und Genf sowie der ETH Zürich.
Beschleunigte Sedimentation
Die Studie zeigt, dass es in den 1980er-Jahren zu einer Trendwende kam. Seit damals nimmt die Sedimentationsrate im Genfersee nicht mehr ab, sondern zu, und inzwischen hat sie sich mehr als verdoppelt. Für die Forschenden war dies eine Überraschung: Sie wussten, dass Staudämme den Geschiebetransport blockieren und erwarteten deshalb aufgrund der zahlreicheren Wasserkraftwerke in den Alpen, dass sich die Sedimente im Genfersee zunehmend langsamer ansammeln. Doch Geschiebe wandert auch heute noch flussabwärts, entweder über Flüsse ohne Wasserkraftwerke oder über spezielle Vorrichtungen, die die Sedimentdurchgängigkeit von Stauvorrichtungen gewähren. Gleichzeitig setzen die schmelzenden Gletscher mehr Gesteinsmaterial frei. «Gletscher sind riesige Reservoire. Nun ziehen sie sich aufgrund des Klimawandels zurück, und es gelangen mehr Sedimente in Bäche und Flüsse», erklärt Fritz Schlunegger von der Universität Bern, der das Projekt leitete.
Eine weitere Überraschung: Die erhöhte Sedimentsablagerung, die seit seit 2008 feststellbar ist, konnten die Forschenden auf die reduzierte Bautätigkeit infolge der globalen Finanzkrise zurückführen. «Im Wallis entnehmen Bauunternehmen der Rhone Sand und Kies zur Herstellung von Baumaterialien wie Beton», erklärt Lane. «Seit dieser Abbau zurückging, erreichen mehr Sedimente den Genfersee, was in unseren Daten klar erkennbar ist.»
«Wir konnten auch zeigen, dass die Sedimentierung am besten im Rahmen dessen analysiert wird, was die Geschäftswelt als «Glokalisierung» bezeichnen würde», erklärt Lane. «Denn sie ist nur zu verstehen als ein Zusammenspiel sowohl von globalen Phänomenen – hier des Klimawandels und der internationalen Finanzkrise von 2008 – als auch von lokalen Faktoren wie der Wasserkraft und der Bautätigkeit. Ohne sorgfältige Analyse können lokale Faktoren globale Einflüsse verdecken.»
Drohnen und Kerne
Für die Analyse zur Entwicklung des Geschiebetransports im Rhonetal kombinierten die Forschenden verschiedene Techniken. Wissenschaftler der Universität Genf extrahierten Sedimentkerne vom Grund des Sees und datierten diese mittels Messungen der Cäsium-Isotope, die von nuklearen Explosionen in der Vergangenheit stammen. Das Lausanner Team erfasste die Sedimentfreisetzung aus Gletschern und deren Bewegungen durch Flüsse und Wasserleitungen, entweder mit Kameras zur Messung der Wassertrübung oder mit Hilfe von Drohnen, welche die Höhe trockener Flussbette kartierten. Zudem analysierten sie historische Daten, die ihnen der Kanton Wallis und Wasserkraftwerke bereitstellten. Das Team an der Universität Bern wiederum bestimmte die Erosionsraten und die geografische Herkunft der Proben mittels geochemischer Analysen. Forschende der ETH Zürich schliesslich erstellten statistische Analysen zu historischen Daten von MeteoSchweiz und dem Bundesamt für Umwelt.
Hochwasserprävention
Die Ablagerung von Sedimenten spielt in verschiedener Hinsicht eine wichtige Rolle. Einerseits sind Tiere, die im Flussbett leben, an gewisse Mengen von Sedimenten angepasst, weshalb sie unter plötzlichen Veränderungen leiden können. Gesteinsmaterial sammelt sich hinter Staudämmen und muss entfernt werden, bevor das Wasser über Leitungen den Werken in verschiedenen Tälern zugeführt wird. Dadurch sinkt die Wasserkapazität für die Wasserkraftproduktion, was die Einnahmen schmälert. Schliesslich erhöht sich durch die Sedimente das Flussbett, womit der Wasserstand des Flusses steigt und die Hochwassergefahr zunimmt. Verstärkt wird dieser Effekt dadurch, dass ein plötzlich anschwellender Fluss mehr Geschiebe transportiert, das sich in flacheren Flusspassagen ablagert. Dies geschah bei den katastrophalen Überschwemmungen 1993 in Brig und 2011 im Wallis und in der Zentralschweiz. Kenntnisse über die Sedimentation im Wallis sind besonders wichtig im Hinblick auf die dritte Rhonekorrektion, deren Ziel darin besteht, den Fluss zu renaturieren und grössere Überflutungsflächen zu schaffen.