Institut für Geologie

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Drei neue Schweizer Meteoriten entdeckt

18.10.2018

In Mitteleuropa sind Fälle und Funde von Meteoriten ausgesprochen selten. Bisher waren in der Schweiz nur acht Meteoriten bekannt. Die drei Neufunde sind Folge intensivierter Öffentlichkeitsarbeit und der Forschungs-Zusammenarbeit zwischen sechs wissenschaftlichen Institutionen in der Schweiz.

Die Meteoritical Society ist im übertragenen Sinne die weltweite Zivilstandsbehörde für Meteoriten. Kürzlich sind drei neue Schweizer Meteoriten in deren Datenbank aufgenommen worden: Mont Sujet, Mürtschenstock und Chasseron. Bisher waren nur acht Meteoriten aus der Schweiz bekannt. Meteoriten werden immer nach dem Ort des Fundes benannt. Die neuen Schweizer Meteoriten wurden allesamt auf Bergen gefunden, was in Anbetracht der hiesigen Topographie wenig überraschend ist.

Die drei Funde

Mont Sujet

Der Meteorit Mont Sujet (66.2 g) wurde am 24. September 2016 von Bruno Meier auf dem Mont Sujet (1382 m) im Berner Jura gefunden. Der Fund erfolgte im Fallgebiet des grössten Schweizer Meteoriten, Twannberg, von welchem in den letzten Jahren über 1100 Einzelstücke gefunden wurden. Mont Sujet ist ein gewöhnlicher Chondrit des Typs H (Steinmeteorit). wie der Name «gewöhnlich» verrät, ist dies einer der häufigsten Meteoritentypen. Mont Sujet zeigt nur eine geringe Verwitterung und dürfte erst vor einigen hundert bis tausend Jahren gefallen sein. Dieser Fund ist ein «Nebenprodukt» der intensiven Suche nach Fragmenten des Twannbergmeteoriten im Rahmen eines vom Naturhistorischen Museum Bern (NMBE) koordinierten Projektes. Eine Sonderausstellung, die 2016-2017 den Sensationsfund dem Publikum zeigte, trug zur Bekanntmachung des Twannberg-Meteoriten bei und führte letztlich zum Auffinden dieses Meteoriten.

Beteiligte Institutionen: NMBE; Institut für Geologie der Universität Bern.

Mürtschenstock

Der Meteorit Mürtschenstock wurde am 17. Juli 2017 von Andreas Stucki beim Abstieg von einer Bergtour am Mürtschenstock (2440 m) im Kanton Glarus gefunden. Er traf beim Abstieg eine Wanderin und unterhielt sich mit ihr, als ihm ein ungewöhnlicher schwarzer Stein auf einem hellen Kalk-Block direkt vor seinen Füssen auffiel. Dank seiner Erfahrung erkannte er sofort, dass es sich um einen Meteoriten handeln muss. Eine gammaspektrometrische Analyse ergab, dass der Fall dieses Meteoriten mindestens 20 Jahre vor dem Fund erfolgt sein muss. Dass der Fall erst vor wenigen Jahrzehnten (oder vielleicht wenigen Jahrhunderten) stattgefunden hat, dafür spricht auch der Umstand, dass der Meteorit nur wenig verwittert ist. Es handelt sich um einen gewöhnlichen Chondriten vom Typ L (Steinmeteorit). Der Meteorit ist bis zum 30. November 2018 im Freulerpalast in Näfels ausgestellt.

Beteiligte Institutionen: Departement Erdwissenschaften ETH Zürich; NMBE; Institut für Geologie der Universität Bern; Musée d’histoire naturelle de la ville de Genève; Naturwissenschaftliche Sammlungen des Kantons Glarus; Laboratorium für Hochenergiephysik / Albert Einstein Center für fundamentale Physik, Universität Bern.

Chasseron

Chasseron ist ein nur 4.8 Gramm schweres Fragment eines Pallasiten. Dabei handelt es sich um einen äusserst seltenen Meteoritentyp und um den optisch attraktivsten: Grüngelbe Olivinkristalle sind in einer Grundmasse von metallischem Eisen eingeschlossen. Besonders an Chasseron ist seine Frische: Das Fragment  zeigt kaum Rostspuren und kann nicht sehr lange vor dem Fund gefallen sein – wahrscheinlich lediglich einige Jahre oder wenige Jahrzehnte. Allerdings erfolgte der Fund bereits im Sommer 1959: Der damals 16-jährige Reto Merlo war zusammen mit seiner Klasse auf einem Schulausflug auf dem Chasseron (1606 m) im Waadtländer Jura. Die Jugendlichen suchten nach brennbarem Material, um auf dem waldlosen Chasseron ein Feuer zu entfachen. Da fiel ihm ein ungewöhnliches, metallisches Objekt auf, das ihn an metallische Produkte in der Spenglerei seines Vaters erinnerte. Er nahm das Objekt mir nach Hause, klebte es als Kurosität auf ein Stück Holz und bewahrte es für die nächsten 58 Jahre auf. Im Frühjahr 2017 stiess Reto Merlo auf Medienberichte des NMBE über die Twannberg-Ausstellung und wurde an seinen Fund erinnert. Er meldete sich beim Naturhistorischen Museum Bern und schickte diesem den Fund. Als erstes wurde eine gammaspektrometrische Analyse vorgenommen – diese zeigte Spuren von Cäsium-137, was mit einer Kontamination durch die erste Atombombentest-Serie Ende der 1950er-Jahre übereinstimmt. Das Objekt wurde dann für die Klassifikation und Inventarisierung ans Musée cantonal de géologie in Lausanne weitergeleitet.

Beteiligte Institutionen: Musée cantonal de géologie, Lausanne; NMBE; Institut für Geologie der Universität Bern; Laboratorium für Hochenergiephysik / Albert Einstein Center für fundamentale Physik, Universität Bern; Open University, Grossbritannien.

Hohe Forschungsaktivität hat zu neuen Funden geführt

Die drei neu aufgefundenen Schweizer Meteoriten sind ein Resultat der hohen Aktivität auf dem Gebiet der Meteoritenforschung in unserem Land. Es ist auch das Resultat einer engen Zusammenarbeit zwischen Museen und Forschungsinstituten. Museen informieren die Bevölkerung aktiv, pflegen Kontakte mit interessierten Laien und haben eigene Forschungsprojekte. Bei den Suchkampagnen, die im Zusammenhang mit dem grossen Streufeld des Twannberg-Meteoriten durchgeführt wurden, waren über 50 Meteoritensammler beteiligt – ein Vorzeigebeispiel von Citizen Science. Die nachfolgende Sonderausstellung, bei welcher der spektakuläre Fund der Öffentlichkeit präsentiert wurde, erhöhte die Sensibilität für Meteoriten – und führte prompt zu zwei weiteren Funden. Das Auffinden von Meteoriten in der Schweiz ist fast nur über eine Sensibilisierung der Bevölkerung möglich: Nur wer gewisse Kenntnisse über Meteoriten hat, erkennt sie als etwas Besonderes und kommt auf die Idee, Funde den zuständigen wissenschaftlichen Stellen zur Begutachtung zur Kenntnis zu bringen.

Was sind Meteoriten und wem gehören sie?

Meteoriten sind Bruchstücke anderer Himmelskörper unseres Sonnensystems, vom Himmel gefallen auf die Erde. Meist stammen sie von Asteroiden, selten auch vom Mond oder Mars. Meteoriten sind von hohem wissenschaftlichem Interesse, weil sie Informationen über Himmelskörper liefern, welche nicht oder nur mit grossem Aufwand und enormen Kosten zugänglich sind.

Wem gehören Schweizer Meteoriten? Nach dem Schweizerischen Zivilgesetzbuch gehören «wissenschaftlich interessante Naturobjekte», zu welchen Meteoriten zweifellos gehören, dem Kanton, in welchem sie gefunden wurden. Dem Finder steht eine «angemessene Entschädigung» zu. Meteoriten, die im Kanton Bern gefunden werden, nimmt das Naturhistorische Museum Bern in seine Sammlung auf.

Was ist zu beachten bei der Suche nach Meteoriten? Als wissenschaftlich interessantes Material ist jeder Meteoritenfund den zuständigen kantonalen Stellen zur Kenntnis zu bringen, meist sind dies kantonale Museen. Die Verwendung von Metalldetektoren ist in allen Kantonen untersagt respektive bewilligungspflichtig.

Alle 11 Schweizer Meteoriten nach Datum des Fundes

  • Rafrüti BE, Eisenmeteorit, Fund 1886, erkannt 1900, 18.2 kg, Hauptmasse: NMBE
  • Chervettaz VD, Chondrit, Fall 1901, 705 g, Hauptmasse: Musée cantonal de géologie, Lausanne
  • Menzywil FR, Chondrit, Fall 1903, 28.9 g, Hauptmasse: Naturhistorisches Museum Fribourg.
  • Ulmiz FR, Chondrit, Fall 1926, 76.5 g, Hauptmasse: NMBE und
  • Utzenstorf BE, Chondrit, Fall 1928, 3.42 kg, Hauptmasse: NMBE und Naturhistorisches Museum Fribourg
  • Twannberg BE, Eisenmeteorit, über 1100 Funde 1984-2018, >118 kg, Hauptmasse: NMBE
  • Langwies GR, Chondrit, Fund 1985, 16.5 g, Hauptmasse: Privatbesitz
  • Ste-Croix VD, Eisenmeteorit, Fund 1988, 4.8 g, Hauptmasse: Privatbesitz
  • Mont Sujet BE, Chondrit, Fund 2016, 66.3 g, Hauptmasse: NMBE
  • Mürtschenstock GL, Chondrit, Fund 2017, 355 g, Hauptmasse: Naturwissenschaftliche Sammlungen des Kantons Glarus
  • Chasseron VD, Pallasit, Fund 1959, erkannt 2017, 4.8 g, Hauptmasse: Musée cantonal de géologie, Lausanne

 

Kontaktangaben für Nachfragen:

Beda Hofmann, Naturhistorisches Museum Bern, 031 350 72 40, beda.hofmann@nmbe.ch

Nicolas Meisser, Musée cantonal de géologie, 041 21 692 44 73, nicolas.meisser@unil.ch

 

Gemeinsame Pressemitteilung der beteiligten Institutionen: Naturhistorisches Museum Bern; Institut für Geologie der Universität Bern; Departement Erdwissenschaften der ETH Zürich; Musée cantonal de géologie, Lausanne; Naturwissenschaftliche Sammlungen des Kantons Glarus; Musée d’histoire naturelle de la ville de Genève.

Pressefotos, werden auf der Webseite des Naturhistorischen Museums Bern zur Verfügung gestellt