24.3.2017
Die markante Nordfront der Berner Alpen ist das Resultat des steilen Aufstiegs der Gesteine aus der Tiefe nach der Kollision zweier Erdplatten. Dieses steile Aufsteigen gibt neue Einblicke in das Endstadium einer Gebirgsbildung und liefert wichtige Erkenntnisse im Hinblick auf aktive Naturgefahren und Geothermie. Die Resultate von Forschern der Universität Bern und der ETH Zürich werden im Fachjournal «Scientific Reports» publiziert.
Gebirge entstehen häufig bei der Annäherung zweier Erdplatten, wobei nach gängigen Modellen die schwerere ozeanische Platte unter der leichteren kontinentalen Platte in den Erdmantel abtaucht. Was geschieht nun aber, wenn zwei gleich schwere Kontinentalplatten zusammenstossen, wie es im Bereich der Zentralalpen zwischen Afrika und Europa der Fall war?
Dieser Frage sind Geologen und Geophysiker der Universität Bern und der ETH Zürich nachgegangen. Sie konstruierten durch mehrjährige Oberflächenuntersuchungen in den Berner Alpen die 3D-Geometrie der Deformationsstrukturen. Mit Hilfe der seismischen Tomographie gewannen sie – ähnlich wie bei Ultraschalluntersuchungen am Menschen – zusätzliche wichtige Einblicke in die Tiefenstruktur der Erdkruste bis hinab in Tiefen von 400 km des Erdmantels.
Fliessfähiges Gestein aus der Tiefe
Eine auf diesen Daten beruhende Rekonstruktion deutet darauf hin, dass die leichten kristallinen Gesteine der europäischen Kruste nicht in grosse Tiefen abtauchen können, sondern in der unteren Erdkruste vom Erdmantel abgelöst werden und in Folge von Auftriebskräften zurück an die Erdoberfläche drängen. Hierbei bilden sich steile Störungszonen aus, die die Erdkruste durchsetzen und den steilen Aufstieg der Gesteine aus der Tiefe begünstigen. Paradebeispiele solcher Störungszonen gibt es im Haslital, wo sie als Narben in Form eindrücklicher Couloirs die vom Gletscher geschliffene Granitlandschaft durchziehen.
Das Ablösen von Erdkruste und Erdmantel findet in 25-30 Kilometern Tiefe statt. Ausgelöst wird dieser Vorgang durch ein langsames Versinken und Zurückweichen der europäischen Platte im oberen Erdmantel in Richtung Norden. In der Fachsprache wird dieser Prozess «slab rollback» genannt. Die hohen Temperaturen in diesen Tiefen machen die Gesteine der Unterkruste fliessfähig, worauf diese in Folge der Auftriebskräfte nach oben drängen können.